wintergerippe

früher dachte das kind, dass die unausgesprochenen gedanken der menschen als rauch aus den kaminen steigen und es hoffte, dass es mit zunehmenden alter und reife die gedankenschwaden wie buchstaben zu lesen imstande sei. als es grösser und älter wurde, das kind, wurde ihm bewusst, dass es nicht gedanken waren und somit auch nicht sein unvermögen, die menschen nicht zu verstehen. nun frug es sich aber, ob es denn nicht die seelen der menschen wären. der toten wie der lebendigen. empfindsam und verträumt wie das kind adoleszierend war, versuchte es mit ausgestreckten händen, die fremden seelen einzufangen und mit offenem gastfreundlichen mund in seine lungenflügelbehausung einzuladen. obwohl es die religion ablehnte, empfand es dieses spiel als gebet. als das kind aber erwachsen war, wusste es auch dieses zu verneinen.  und war ein bisschen traurig darüber. durchdringenden verstandes blickte das erwachsen gewordene kind auf die welt. durchsichtig, schutzlos, kahl stand es nun selber als winterliche seelenlandschaft da und sah gerippe, fassaden, eisdecken und spiegelflächen, auf denen die menschen sich selbst betrachtend vorsichtig zu balancieren versuchten. das erwachsene kind fühlte sich sehr zerbrechlich und einsam wie ein trauriges kind.

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